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Lektion 5: Du und die Herde

Das wichtigste Grundbedürfnis eines Pferdes ist die Sicherheit. Dies kommt vor dem Fressen.
Eine Pferdeherde ist so aufgebaut, dass sie allen Pferden Sicherheit gewährt, damit sie überleben und sich geborgen fühlen können.
Die zwei Haupt-Führungstiere, der Leithengst und die Leitstute, sind die wichtigsten Grundpfeiler der Sicherheit. Wir gehen in den nächsten Lektionen ausführlich auf sie ein.
Alle anderen Tiere der Herde haben aber auch eine Funktion. Es ist niemand einfach nur „da“. Die einen Stuten sind gute „Tanten“ und helfen bei der Fohlenerziehung der anderen Stuten, insbesondere wenn diese überfordert sind. Die Fohlen spielen und üben Bewegungsabläufe miteinander ein, messen ihre Kräfte, lernen sich über die anderen kennen und werden dabei stark. Andere Pferde sind die "Clown" oder die Unterstützer der Leittiere. Pferde schliessen auch intime Freundschaften. Sie sind innerhalb der Herde oft in Untergruppen unterwegs, oder auch nur zu zweit. Die einen Pferde sind standhaft, die anderen verstecken sich lieber. Wieder andere drängen sich gern vor, oder drücken andere sogar weg, während die einen unbeschwert zu schauen oder sie ein Fels in der Brandung sind, wo alles an ihnen vorbei geht.
Aber für alle gilt: Sie müssen genau wissen, wo ihr Platz und ihre Aufgabe ist. Nur dann kommt Ruhe in die Herde.
Es gibt Sympathien und Antipathien, genau wie bei Menschen. Aber das Bemerkenswerte an der Herde ist: wenn eine Gefahr da ist oder etwas wichtig ist, halten alle zusammen und gehen in die gleiche Richtung, dahin, wo die Leitstute vorgibt. Ansonsten ist das einzelne Lebewesen in Gefahr und die Wahrscheinlichkeit gross, dass es nicht überlebt. Auch domestizierte Pferde funktionieren immer noch so.
Du siehst, wie wichtig es für Pferde ist, sich in der Gemeinschaft zurecht zu finden und zu wissen, wo ihr Platz ist. Versuchen wir, es auch so zu sehen.
 

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Probiere Aus:

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Schaue dir unten die Filmsequenz von „Otro tiempo“ an. Darin siehst du, wie verschiedene Herdenmitglieder ihren Platz auf verschiedene Weise suchen, ihn anderen wieder wegnehmen, wie sie sich untereinander verhalten, rangeln, liebkosen usw.
Lasse die Sequenz auf dich wirken und beobachte genau die verschiedenen Pferdecharaktere. Schaue sie dir ein zweites Mal an und fühle diesmal, was die eine oder andere Szene (oder Pferd) bei dir auslöst. Schreibe das auf, denn es gibt wichtige Anhaltspunkte zu deinem „Herdenverhalten“ und deinen Prägungen.
 
Überlege dir danach folgende Fragen:

Welche Rolle bist du dir gewohnt, in der Menschen- oder Pferdeherde zu übernehmen? Kannst du dich mit einem der Pferdecharaktere im Film identifizieren?
Die weibliche oder männliche Führung? Die Helfertante, das spielende Kind, der Platzeinnehmende, die Ausweichende, der Verknitterte, der Unbeschwerte, Derjenige abseits, Derjenige im Mittelpunkt? 
Ist es wirklich die Rolle, die du möchtest und wo deine Talente liegen? Oder wäre dir eine andere lieber, und du denkst, du könntest sie nicht erreichen?
Schreibe dazu deine Gedanken auf.
 
Wenn du tief in dich hinein spürst, gibt es da vielleicht eine Rolle, die dir besser liegt, oder von welcher du träumst? Welche? Was braucht es, sie sie zur Realität werden zu lassen?

Das Tun mit dem Pferd

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Gehst du mit dem Pferd auf die Verhaltensebene, bist Du seine Herde. Das habe ich schon angedeutet. Das heisst, es setzt voraus, dass Du ihm die Sicherheit geben kannst, die ihm sonst Leithengst und Leitstute geben.  Merkst du, was für ein grosser Anspruch das an dich ist?
Keine Angst, du musst nicht gleich alles können.
Wichtig ist nur, dass es dir bewusst ist, und dass dir deine Fähigkeiten und Schwächen bewusst sind, ohne sie überspielen zu müssen. Dann ist dein Pferd schon sehr zufrieden.
Wichtig ist auch, dass du in angemessenen Schritten versuchst, dich mit weiblicher und männlicher Führung auseinander zu setzen, damit du weisst, was dein Pferd auf der Verhaltensebene von dir möchte. Natürlich ist jedes Pferd wieder anders, das eine legt grossen Wert auf Klarheit, das andere auf Sensibilität, das andere auf Raum usw.
Wenn du ihm zuhören kannst, wirst du das rausfinden.
 
Stelle dir dazu folgende Fragen:

  • Möchte ich überhaupt Führung übernehmen oder ist mir das zuviel, habe ich Widerstände dagegen? Falls du Widerstände hast, schreibe auf, wie sie sich anfühlen und ob du bereit bist, diese aufzulösen.

  • Bin ich in meinem Körper präsent und somit für die Herde „sichtbar“ oder möchte ich mich am liebsten verkriechen?

  • Suche ich bei den Pferden Aufmerksamkeit oder kann ich bei mir bleiben?

 
Gerne bespreche ich mit dir diese Fragen am Schluss des Kurses.

Gerne kannst du auch eine Herde zeichnen und dich darin in deine gewünschte Rolle setzen. Lasse deiner Kreativität freien Lauf.

Nun wünsche ich dir viel Spass beim Üben!

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